Ein weiteres Schlagloch rüttelte die Fahrgäste des Dämmerhain – Seehain Postkurses durch.
Die blattgefederte Kutsche hatte den rauen Bedingungen der kopfsteingepflasterten Straße welche die beiden Städte verband kaum etwas entgegen zu setzen.
Jeder neue Stoß ließ Jörn Noonans Kettenhemd hell aufklingen.
Das aus Leder und Metall gefertigte Kleidungsstück war zwar alles andere als bequem, aber immer noch besser als die inhumanen Plattenrüstungen welche Sturmwind seinen Truppen aufzwang.
Er strich sich durch den kurz gestutzten roten Bart und musterte die Feine Lady, auf der gegenüber liegende Bank, ausgiebig und unverhohlen.
Lady Madisyn Hanzel saß in ihrer schicken weißgrauen Reiserobe. Die Kapuze des königsblauen Capes tief in die Stirn gezogen las sie in einem Manuskript. Den Mann den sie zu ihrer Sicherheit angeworben hatte schenkte sie keine Beachtung.
Sie hatten den Fahrgastraum der Postkutsche für sich alleine. Heut zu Tage verkehrten nicht all zu viele private Reisende auf der Hauptstraße und wer geschäftlich unterwegs war leistete sich zumeist eine richtige Eskorte.
Eigentlich hätte Jörn auch auf wenigstens eine weitere Wache bestanden., Doch die Nachtwache hatte wie immer weder Mann noch Frau zu entbehren. Auch weder in der Gastwirtschaft, war er nicht fündig geworden und so mussten er und die Postkutschenwache genügen.
Selbst die Poststation in welcher sie die Pferde gewechselt hatten und wo fast immer der eine oder andere Reisende froh war sich, der Sicherheit wegen weiteren Reisenden an zu schließen.
Doch außer ein paar Zwielichtigen Typen die ihre Pferde frisch beschlagen ließen war die Station nahezu ausgestorben.
Jörn ließ den Blick aus dem Fenster schweifen. Vereinzelte Sonnenstrahlen durchbrachen hier und da das beständige Zwielicht des Dämmerwaldes und kündeten nach und nach vom nahenden Dunklen Ufer, welches man alsdann bald überqueren und somit die ersten Ausläufer des Rotkammgebirges erreichen würde.
Der gefährlichste Teil der Strecke war somit überwunden.
Zwar waren die Überfälle durch Banditen aufgrund des allgemein geringeren Reiseaufkommens in letzter Zeit zurück gegangen. Doch konnte einem in diesen Unwirtlichen Landstrich alles mögliche auflauern.
Von Wölfen über verwilderte Worgen, über Spinnen der selben Größe biss hin zu mancherlei widernatürlichem Unhold verbarg sich in dem Dickicht so ziemlich jede Form des übelsten Unheils, welchem man im Reich nicht begegnen wollte.
Dazu kam, dass sich der Großteil der Kampfkraft der Nachtwache meist auf die Südlicheren Gebiete konzentrierte wo sie gegen die Größten Zusammenrottungen an Unbill vorgehen konnten.
Das regelmäßige Trappeln der Pferdehufe hätte eine einschläfernde Wirkung haben können, Doch das Krachen der Räder und die knochenzermalenden Stöße während der Kasten über das Kopfsteinpflaster poltere hielten einen glücklicher weise wach.
Ein vernünftiges Gespräch würde man hier auch nicht zu Stande bringen. Ihro Gnaden wäre sich eindeutig zu fein um mit einfachen Bediensteten zu plaudern.
Und was hätte man mit so jemandem schon zu besprechen? Die Neuheiten der Sturmwinder Mode zur diesjährigen Ballsaison?
Der Schritt der Pferde beschleunigt sich und Jörn wurde sofort hellhörig.
Er griff sein Gewehr begann das scheppernde Fenster auf zu hebeln, wobei er ungeschickt das Buch seiner Schutzbefohlenen aus ihrer Hand stieß.
Den Protest ignorierend beugte er sich aus dem Fenster um zum Kutschbock zu sehen, wo der Kutschenwächter gerade seine doppelläufige Schrotflinte bereit machte.
Ein Blick in die entgegengesetzte Richtung bestätigte auch sofort den Verdacht.
Die stetig wankende Laterne des Wagens machte es zwar nicht gerade einfach die Augen an das diffuse Licht draußen zu gewöhnen, doch konnte man dennoch deutlich Bewegungen auf der Straße hinter ihnen erkennen.
Eine Gruppe von Reitern schälte sich dort, kaum eine halbe Meile hinter ihnen aus dem Zwielicht und holte rasch auf.
Es war natürlich möglich, dass es sich bloß um Soldaten der Nachtwache handelte, welche es eilig hatten auf einen Befehl zu reagieren. Doch auf dieser Strecke musste man immer mit dem Schlimmsten rechnen. Also überprüfte er das Zündkraut in seiner Flinte und beobachtete weiter.
Auch diese Vorahnung erwies sich schon schnell als richtig.
Über das Krachen der Räder sowie das Donnern der Hufe auf dem Kopfsteinpflaster und das Peitschen der Zügel in den Händen des Kutschers hinweg war ein Ruf zu hören.
Doch Jörn musste ihn nicht erst verstehen.
Die Reiter hatten gut die Hälfte der Strecke zwischen sich und der Kutsche gut gemacht und fächerten nun in gestaffelter Formation aus.
Damit war klar, dass sie nichts anderes vorhaben konnten als die Kutsche auf zu bringen.
Auch waren nun Einzelheiten zu erkennen.
Es handelte sich um sieben Reiter in Räubermontour.
Teilweise abgenutzte nicht immer zusammen passende militärische Kleidung gepaart mit mehr oder minder zweckmäßiger oder gar modischer Zivilbekleidung.
An der Spitze galoppierte ein schwarzer Hengst auf dessen Rücken ein Reiter mit schwarzer Kleidung und Dreispitz saß.
In der linken Hand war etwas metallisch blitzendes zu erkennen.
Das donnern einer Schrotflinte war vom Kutschbock zu hören.
Der Reiter an der Spitze schlug einen Haken und gab dem Pferd sogleich wieder die Sporen.
Jörn hatte Mühe sein Gewehr durch das Fenster zur Geltung zu bringen.
Wenn eine Ladung Schrot schon Schwierigkeiten hatte ihr Ziel zu treffen, so schien es doch nahezu aussichtslos etwas mit seiner einschüssigen Steinschlossflinte zur treffen. Doch irgendwie mussten sie die Reiter auf Distanz halten, je näher sie den Drei ecken kamen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, über eine Patrouille der Allianz zu stolpern.
Er stemmte seine Fuß gegen die mit der Fahrtrichtung ausgerichtete Bank was einen eifrigen Protest von Lady Hanzel nach sich Zog.
„Lady halten sie den Rand. Verhalten sie Still und lassen sie mich meinen Job machen, oder… na sie werden’s dann sehen wenn uns die Halunken dort hinten erwischen.
Er sah nicht wie ihr Gesicht schlagartig blass wurde als er den Hahn spannte.
Der Reiter an der Spitze schien ihm zu gewieft also suchte er sich den Mann links außen aus.
Der Räuber ritt in gerader Linie, mit wehendem Mantel hinter sich. Überhaupt hatte er erst wenig Anstalten gemacht sein Pferd zu Bewegungsänderungen zu animieren, woraus der Leibwächter schloss, dass er eher unerfahren in der Handhabung von Pferden oder generell in seinem Beruf war.
Jörn folgte ihm mit dem Lauf, wartete eine Sanfte Biegung in der Straße ab wo die Fliehkräfte den Kolben in seiner Schulter Stabilisierte und er genug Bewegungsfreiheit zum Zielen hatte.
Einen weiteren Augenblick und er drückte ab.
Der Schuss ging Fehl. Doch das entmutigte ihn nicht.
Der Reiter geriet sichtlich aus dem Konzept zügelte sein Pferd und begann zurück zu Fallen. Ein kleiner Sieg und dennoch ein Sieg.
Er holt den lauf wieder herein und beginnt eine neue Patrone aus dem Munitionssäckel zu fischen und nach zu Laden.
Ein weiterer Schuss donnert vom Dach und vereinzelt lassen nun auch die Verfolger ihre Pistolen Sprechen als sie in Reichweite gelangen.
Das nächste Projektil ist geladen, das Zündkraut eingebracht. Jörn legt die Waffe erneut an.
Sein neues Ziel ist bereits gefährlich nahe und holt weiter auf.
Er nimmt ihn aufs Korn.
Der Reiter legt seine eigene Pistole gekonnt über den Unterarm an.
Ruhe bewahren.
Der Schuss des Pistoliers fährt voreilig in den Türrahmen.
Anfängerfehler.
Jörn lässt sich einen Augenblick mehr Zeit. Das Schnappschloss Klickt. Das Pulver knallt. Der Reiter lässt seine Pistole Fallen und fasst sich an die linke Schulter. Ein weiterer Knall vom Kutschbock und das Pferd mitsamt Wegelagerer überschlägt sich und bleibt auf der Straße zurück.
Ein begeisterter Ausruf von oben.
Doch der Erfolg währt nur kurz.
Wie aufs Kommando, streckt der Spitzenreiter den Pistolenarm zur Seite und zwei Reiter schießen wie auf Befehl in geduckter Haltung auf der Abgewandten Seite vorbei und holen mit einem Wahnsinnstempo auf.
Die Pferde werden Diesen Sprint nicht lange durchhalten, doch der Leibwächter würde nur wenige Augenblicke Zeit für seine Abwehrmaßnamen haben.
Er mühte sich mit Händen und Füßen auf die andere Seite des schaukelnden Fahrgastraumes zu gelange.
Zwei Schüsse aus der Schrotflinte vom Kutschbock. Das Klirren von Fensterglas. Eingeschlagen vom Knauf eines Schwertes.
Der Kolben von Jörns Gewehr stieß nach draußen. Traf etwas festes. Hand und Schwert entfernen sich aus seiner Sicht.
Ein ungezielter Pistolenschuss schlägt in das Holz des Innenraumes.
Ein paar weitere Augenblicke um nachzuladen.
Gehäuse öffnen. Patrone einlegen. Gehäuse schließen. Verriegeln. Pfanne Öffnen.
Es poltert an der Außenseite. Jemand erklimmt das Dach über den Rücksitz.
Zündkraut einstreuen. Pfanne Schließen.
Der Kämpfer geht zurück ans Fenster.
Gerade als der zweite Sturmreiter sich anschickt Auf den Wagen aufzuschließen. Eine schwarze Lederjacke mit Verstärkungen und blaue oft Geflickte Hosen, doch vor allem der Karmesinrote Schal, den er sich Quer übers Gesicht gezogen hatte, wiesen ihn als ehemals stolzen Angehörigen der Defiasbruderschaft aus.
Das Schwert in der Linken. Die Rechte nach der Tür langend. Es bleibt keine Zeit zu Zielen.
Jörn hebt den Lauf.
Der Flint entzündet das Kraut und der Schuss bricht los.
Das Pferd Scheut. Der Mann stürzt. Ob er ihn getroffen hat weis er nicht.
Zwei drei versetzte Schüsse vom Dach.
Die Waffe fallen lassend, entriegelte der Leibwächter die Tür. Seine Herrin drückte sich in die Ecke ihrer Sitzbank, die Hände über den Kopf geschlagen.
Er zog sein Schwert und setzt seinen Fuß hinaus auf das Trittbrett.
Er hatte Mühe Halt am Wagendach zu finden während der Fahrtwind ihm das rote Haar zerzauste.
Auf dem Kutschbock war der Klang von Stahl der auf einen Gewehrkolben trifft zu hören. Dort war der Kutschenwächter im Gerangel mit dem Banditenführer, der mit einem eleganten brünierten Korbschwert nach diesem Schlug.
Jörn zog sich nach oben, wo sich sogleich ein weiterer Halunke mit einem Dolch auf ihn warf.
Mit der Schwerthand konnte die Dolchhand gerade noch blockiert werden. Eine Faust gegen die Schläfe und der Schwung des Mannes selbst, erledigten den Rest und er segelte über das Kutschendach hinweg in das Unterholz am Wegesrand.
Ein Schrei vom Kutschenwächter und schon war auch er in die Düsternis entschwunden.
Noch ehe Jörn sich aufrichten konnte, hatte der Bandit dem Kutscher in die Zügel gegriffen.
Dieser wehrte sich doch ein hieb mit dem Schwertheft brachte ihn sogleich zum schweigen.
Der Jörn raffte sich auf, bereit sich auf den Schurken zu stürzen, doch dieser reagierte schneller. Er zog die Handbremse und der Wagen verlor sofort an Geschwindigkeit.
Der Leibwächter viel nach vorne, Prallte gegen seinen Widersacher auf dem Kutschbock, und den sich überraschend leicht anfühlenden Mann mit sich.
Hart schlug er auf dem Feuchten Kopfsteinpflaster auf.
Die Verstärkung seiner Kleidung mochte gröberes verhindern, doch blieb ihm einen Augenblick die Luft weg.
Nach seinem Schwert tastend rappelte er sich wieder auf.
Das Schlagen weiterer Hufe kam näher.
Er kämpfte sich auf die Beine.
Sein Kontrahent trat aus einem Strauch. Offenbar hatte er mehr Glück bei der Landung gehabt.
Die übrigen Banditen hatten ihn eingeholt und umzingelten sie mit ihren Pferden, die Waffen einsatzbereit erhoben.
Doch der Anführer der Briganten Hob beschwichtigend die Hand, reckte das Schwert herausfordernd dem Gegner entgegen.
Nun da der Dreispitz nicht mehr auf dem Kopf saß, war das feminine Gesicht gut zu erkennen.
Erst jetzt vielen Jörn die, für einen Mann, filigranen Züge auf die da in der, wohl einstmals edlen, Reisetracht steckte.
Muskulöse tätowierten Arme ragten aus dem dunklen Lederwams hervor, dessen gewagter Ausschnitt die Gilneeische Herkunft kaum zu verbergen mochte.
Die ledernen Hosenbeine steckten in teuren und im Gegensatz zur restlichen Kleidung, gut gepflegten Reitstiefeln mit erhöhten Holzabsätzen.
Das Gesicht war aristokratisch geschnitten, doch mit etwas zu viel Elan gefärbt. Vor allem der dicke Lidstrich mutete in diesen Wäldern etwas deplatziert an.
Am auffälligsten war jedoch das wirre schwarze Haar, oder mehr noch, die Abwesenheit von selbigem an der Linken Schläfe, an deren Stelle das handgestochene, stilisierte Abbild eines Vogels prangte, welcher keinen Zweifel an der Identität der Räuberin zu ließ.
Rabe. Die Adjutantin des, lediglich als ‚Schöner Karl‘ bekannten Räuberhauptmanns der in der Gegend eine ganze Hundertschaft an Gesetzlosen um sich versammelt haben sollte.
Nun. Heute sollten es ein paar weniger werden, beschloss der rothaarige Recke entschlossen und machte sich mit dem Schwert bereit.
Die Frau machte sich ebenfalls Kampfbereit. Nahm eine bequeme Grundhaltung mit Gewicht auf dem Hinteren Fuß ein und hob die Klinge zum Gruß.
Elegant nach schulischem Vorbild.
Doch strafte ihr Kampfstil die guten Manieren Lüge.
Anstatt, auf Erwiderung des Grußes zu warten und dem Gegner die Offensive zu überlassen, stieß sie unvermittelt nach vorne.
Die Gerade Schneide zerteilte die Luft vor dem Körper des Söldners und er musste zurückweichen um sein Gesicht zu schützen ehe er seine eigene Waffe zur Geltung bringen konnte.
Klirrend traf die gegnerische Klinge auf die Breitseite seines Schwertes und lies sich mühelos ablenken.
Er übernahm die Offensive und begann einen gepflegten Schlagabtausch.
Sie focht gut. Stilecht. Doch eindeutig ohne wirklicher Kampferfahrung.
Es war ihm ein Leichtes sie zu dirigieren. Jedes mal, wenn sie versuchte seine Abwehr mit einem Konter zu durchbrechen, hatte er sie sofort wieder wo er sie haben wollte.
Zu berechenbar, wie es manchen Offizieren passierte, wenn sie sich zu lange auf ihre Männer verließen.
Doch auch die eigene Selbstüberschätzung durfte er nicht außer Acht lassen.
Er verwehrte es sich mit ihr zu spielen, und schickte sich an den Kampf möglichst rasch zu beenden.
Verlassen konnte er sich freilich nicht darauf, doch mochte ein rascher Sieg vielleicht auch an das Ehrgefühl ihrer Kumpane dringen und sie zu einem Rückzug ohne weiteren Kampf bewegen. Im Schlimmsten Fall konnte er immer noch die Anführerin als Geisel nehmen.
Der Schöne Karl würde es seinen Männern wohl nicht durchgehen lassen, wenn sie seine, Adjutantin und wie man sagte, Geliebte, über die Klinge springen ließen.
Zwei weitere Angriffe führte er aus und ließ sie wie geplant abfangen.
Dann kam der Gegenzug.
Die hoch geführte Klinge touchierte die seine kaum, als er sie absenkte und der Hieb der Frau mit gesamten Gewicht ins lehre Ging, worauf sich eine Lücke in ihrer Verteidigung auftat.
Er ergriff das halbe Schwert und stieß in die ungeschützte Mitte.
Doch anstatt eines Ausdrucks der Überraschung auf ihrem Gesicht, fühlte er einen Schmerz in seinem Fuß explodieren.
Anstatt ihre Deckung zu umgehen, hatte sie dafür gesorgt, dass er die Seine am unerwarteten Ende vernachlässigte und einfach mit dem harten Holzabsatz gegen seinen Stiefel getreten.
Als er an ihr vorbei stolperte, schnitt plötzlich eine doppelte Klinge, die aus dem Nichts in ihrer Faust aufgetaucht war, wie eine Viper an seinem Gesicht vorbei.
Er entging ihr nur um Haares Breite indem er sein volles Gewicht verlagerte. Doch einem Folgehieb mit dem Gefäß des Schwertes konnte er nichts mehr entgegensetzen.
Der Korb traf ihn hart am Hinterkopf und die Lichter gingen aus.
Als er wieder zu sich kam lang er mit auf dem Rücken gefesselten Handgelenken im Gras.
Die Lady Hanzel, saß kreidebleich gleich neben ihm auf der Erde.
Zwei der Räuber durchwühlten Kutsche und Gepäck.
Einer von ihnen, Jörn glaubte in ihm eine der zwielichtigen Gestalten aus der Poststation zu erkennen hob triumphierend eine Geldkassette hoch.
„Unser Mann hat nicht gelogen. Das wird wohl nichts mit Zahltag in Seehain.“
Der Leibwächter Grollte innerlich. Ausgerechnet das eine Mal wenn die Dämmerhainer Post etwas wertvolles mit sich Führte mussten sie mit ihr fahren. Und der geizige Bürgermeister Schwarzhaupt war wieder zu Geizig um eine echte Eskorte zu bezahlen.
Die Frau namens Rabe trat zufrieden nickend in sein Blickfeld.
„Ausgezeichnet. Pack das zurück. Wir sehen zu, dass wir von der Straße weg Kommen, dann Verladen wir den Kram. Ihre Ladyschaft hier hat mit Sicherheit noch die eine oder andere Kostbarkeit in ihren Truhen. Sobald wir ein lauschiges Fleckchen gefunden haben, werden wir den ganzen Kram umladen.“
Empört richtete sich Lady Hanzel auf, doch ihr Protest wurde von einem Reitstiefel unterbrochen der sie mit dem Rücken auf das Pflaster beförderte.
Die Spitze einer Klinge richtete sich auf das Gesicht der erschütterten Aristokratin.
„Sei still und überleg’ dir lieber schon mal wer dein Lösegeld bezahlen wird.“
Die Wegelagerin wendet sich ab und fuchtelt in Richtung ihrer Kameraden.
„Packt sie wieder in den Wagen. Sobald Janusz zurück ist geht’s weiter.“
Jörn versuchte sich die Sterne vor den Augen weg zu Blinzeln.
Sie umkreisten seinen Schädel seit er wieder zu sich kam.
„Was machen wir mit denen da? Aufknüpfen? Zeugen sind nicht. Richtig?“
Rief einer der Männer vom Kutschendach während sein Kamerad, der Junge Bursche auf den Jörn als erstes geschossen hatte losmarschierte um die Lady aufzusammeln.
Der Leibwächter sah sich um um zu sehen wen er mit ‚denen da‘ meinte und erblickte hinter sich den Kutscher im Straßengraben sitzen, der gerade ebenso erblasste wie ihre Ladyschaft.
Die Kommandantin der Halunken blickte kurz mit undeutbarem Blick zu ihnen, dann schüttelte sie den Kopf.
„Der da kann uns weiter fahren. Wenn er brav ist, darf er vielleicht seiner Wege ziehen.“ Sie richtete Korbschwert auf den erleichterten Wagenlenker. „Und der da…“ Sie richtet die Wache auf den geschlagenen Kämpfer, der ihr nur mit festem unbeugsamen Blick entgegen starrte.
Einen Augenblick, war Jörn überzeugt sie würde der Anfrage ihrer Kameraden nachgeben. Doch dann näherten sich Hufschläge auf der Straße und ließ sie die Spitze der Klinge Fallen um ihnen entgegen zu marschieren.
„Scheiss auf ihn. Der bleibt hier. Vielleicht schafft er’s ja bis… was weis denn ich.“
Die Hufschläge gehörten zu Janusz, dem Mann mit der Defias Maske. Ein frisches Loch prangte in seinem linken Schulterschutz, dort wo er wohl Jörns Kugel abgelenkt hatte. An einem Zügel führte er ein Zweites Pferd neben sich her. Vom Reiter fehlte jede Spur.
„Ronny hat sich beim Sturz das Genick gebrochen. Aber seinem Pferd geht’s gut.“ Der Mann schien abgesehen von der Anführerin der erfahrenste unter den Briganten zu sein.
„Warnke hatte nicht so viel Glück. Seinen Gaul hat’s zerrissen und ist auf ihm gelandet. Hat noch gelebt der Ärmste.“ Er streicht sich mit dem Daumen über den Hals. „Hab dafür gesorgt, dass’ schnell geht… für den Gaul und den Jungen.“
Der Junge Wegelagerer auf den Jörn geschossen hatte marschierte an ihm vorbei um seiner Aufgabe nach zu kommen. Er trug einen Spitzen Filzhut mit Feder und ein Halstuch vor der Nase. Kaum so alt wie Jörns eigener Sohn. Elia dieser Nichtsnutzige Bengel.
Als der Bandit in ihm vorbei ging schien er kurz zu Zögern. Er sah den auf dem Boden sitzenden Leibwächter an als wolle er etwas sagen.
„Was glotzt du so du Made?“ Herrschte dieser ihn an. Der Junge zuckte kurz zusammen, und zerrte dann Lady Hanzel hoch die zu verängstigt war um zu protestieren.
Krähe nickte ihrem Mann zu. „Immerhin eins von den Pferden haben wir. Da wird sich im Lager einer freuen. Also dann. Aufs…“
Der Junge der Hanzel vor sich her trieb war zu seiner Kommandantin aufgerückt und sie unterbrach sich abrupt. Machte einen schritt auf ihn zu und senkte den Kopf.
Jörn beobachtete die beiden während der Wegelagerer seiner Herrin irgend etwas zu murmelte.
Sie nickte nur ein paar mal ohne aufzusehen. Ließ den Jungen Mann reden.
Als er seine Ausführungen beendet hatte. Schlug sie ihm mit der flachen Hand aufmunternd auf seinen Rücken.
„Alles klar Junge, die Lady bekommt mein Einhorn.“ Sie wies auf ihren Rappen und marschierte los. Direkt auf Jörn zu.
„Und ihr...“ Ehe Jörn sich einen Reim machen konnte, zerrte sie ihn schon an den Armen hoch. „habt die Ehre mir in der Kutsche Gesellschaft zu reisen.“
Sie schnitt ihm die Fesseln durch und setzte sich ihm gegenüber auf die Bank. Ihre Klinge quer über den Schoß gelegt.
Er fühlte sich nackt, seiner Waffen beraubt, doch immerhin durfte er nun mit der Fahrtrichtung sitzen.
„Wie ist euer Name? Fragte sie ihn. Nun aus der Nähe konnte er sie genau betrachten. Sie war wirklich nicht hässlich. Dreißig. Vielleicht älter.
„Was wollt ihr von mir?“ Erwiderte er die Frage ohne auf die ihre ein zu gehen.
Sie hob ruckartig den Rechten Fuß und stellte ihn mit dem lauten Knall von Holz das auf weiteres Holz traf zwischen seinen Beinen ab.
Langsam senkte sie die Stiefelspitze und erhöhte den Druck dort wo es ihn störte.
„Einfach nur antworten.“ Säuselte sie.
„Jörn.“ Antwortete er knapp.
Sie nickte als wüsste sie es bereits.
„Also seht Jörn. Ich habe euch mitgenommen weil ich euch etwas erzählen möchte.“
„Und zwar?“ Er kniff die Augen zusammen.
Sie stellte ihren Fuß schlagartig wieder auf den Boden der kutsche und neigte sich verschwörerisch zu ihm nach vorne, wobei sie ihm einen tiefen Einblick in ihr ausladendes Dekolleté gewährte, über welchem eine weitere Tätowierung in Raben Gestalt prangte.
„Eine Geschichte.“ Ihre Miene und Stimme blieb undeutbar, wie die eines Diplomaten.
„Ihr wisst wer ich bin?“
Er nickte. Doch sie Schüttelte den Kopf.
„Ich meine ob ihr WIRKLICH wisst wer ich bin. Nein das wisst ihr natürlich nicht. Mein Name ist Alyana Rabenhorst. Lady Alyana von Rabenhorst genau genommen. Amüsant nicht wahr?“
Das fand der Krieger zwar kaum, doch war er zugegebener maßen in gewisser weise Neugierig geworden.
„Ihr kennt mich sicherlich als ‚Rabe‘. Diesen Namen haben mir natürlich Kameraden gegeben. Als Kameraden von Früher.“ Sie deutet mit einem Finger Nach norden. „Aus der Heimat in Gilneas. Von den Gesellen mit denen ich mich heutzutage so umgebe, weis kaum noch einer wer ich bin. Doch eine Gute Geschichte braucht schließlich einen Aufhänger, also dachte ich das wäre ein guter Einstieg. Nichtwahrr?“
Sie wartete seine Antwort nicht ab. Er hatte ohnehin keine.
„Damals war ich natürlich noch nicht Lady… und auch jetzt bin ich es nur… dazu später.“ Sie winkte ab.
„Nun mein Vater war Lord Oliver von Rabenorst. Siebter Graf von Rabenhort. Ein großer Stattlicher Mann. Ich wuchs im Rabenfels Anwesen auf. Zusammen mit meiner Mutter, Lady Isobelle Rabenhorst und meiner jüngeren Schwester Moira. Erhielt ausgezeichnete Schulbildung. Fecht- und Reit Unterricht und sogar Politische Bildung.
Meine Mutter gab gerne große Bälle für die Feine Gesellschaft. Ich war natürlich zu jung um daran teil zu nehmen, doch oft sah ich von der Galerie aus zu. Ihr müsst wissen, ich stand bei Geburt an hundertundfünfundsiebzigster Stelle in der Thronfolge.“
Sie machte eine Pause und ihr Mundwinkel schien für einen Augenblick nach oben zu zucken.
„Das ist natürlich mehr Angeberei als von wert. Ihr müsst wissen. In der Thronfolge ist wohl alles unter den obersten Siebzig irrelevant. So wie die Aristokraten sich vermehren Allemal. Und doch dachte ich ich erwähne es…“
Sie pausiert kurz als suche sie den Anschluss.
„Jedenfalls sollte man meinen ich hätte eine wohl behütete und aussichtsreiche Kindheit genossen. Besonders in Gilneas hinter dem steinernen Vorhang. Aber falsch gedacht.“
Sie lehnte sich etwas in ihrem Sitz zurück und begann mit einem behandschuhten Daumen über den Klingengrat ihrer Waffe zu streichen.
„Wisst ihr, es begann als ich etwa vier Jahre alt… nein wisst ihr ich langweile euch mit diesem Teil bestimmt nur. Ich wette ihr kennt das Märchen ohnehin. Sagen wir es so. Ihr habt doch sicher schon mal von den Blümchen und den Bienchen gehört.“
Jörn zog die Augenbrauen verwundert zusammen.
„Und manchmal, da gefällt es den Bienchen wenn sie sich ein besonders frisches Blümchen suchen und dann stopfen sie es einfach mit ihren Pollen voll bis oben hin.“ Ihre Hand bildete sich um die Klinge zu einer Faust.
„Und wenn das Blümchen dann weint, dann verprügeln sie es einfach so lange biss es aufhört.“ Sie lässt die Waffe auf ihren Oberschenkeln liegen, erhebt die Faust und schlägt sie Wuchtig in die Handschuh Innenseite ihrer anderen Hand.
Jörn fixierte die Waffe die im Rhythmus der Räder auf ihrem Schoß umher rutschte und erahnte eine Gelegenheit.
Doch ihre Hand war mit einem mal wieder am Schwertheft, und ihr Stiefel stemmte sich wieder zwischen seine Beine gegen die Bank.
„Und irgendwann, wenn das Blümchen eines Tages zu alt wird und sich wehrt.“ Die Erregung wich aus ihrer Stimme.
„Dann entledigt man sich ihm einfach und verbannt es auf ein Internat. Fern ab von zuhause.“
„Was soll der Unsinn? Was wollt ihr von mir?“ Grollte Jörn dem die Geschichte nicht recht gefallen wollte.
„Ich will, dass ihr euch meine Geschichte anhört Jörn!“
Sie legte ihm die Breitseite ihrer Klinge auf die Schulter wo sie mit dem Wanken der Passagierkabine über seinen unrasierten Hals schabte.
Sie entspannte sich wieder. Zog den Dreispitz auf ihren Kopf und legte sich zurück.
Ich sollte also auf eine Schule anständige Kinder aus gutem Hause geschickt werden. Ich hätte mich glücklich geschätzt. Weg vom Rabenfels Anwesend. Und meiner Mutter, die mir die Schult an ihrer unglücklichen Ehe gab. Doch war da ein Problem. Ich konnte nicht gehen.“
Sie pausierte eine Zeit lang.
Irgendwann ging es dem Söldner auf die Nerven. „Warum nicht?“ Erfüllte er mit genervter Stimme die stille Bitte.
„Gute Frage mein Freund. Wegen meiner Schwester.“ Sie setzte sich wieder auf.
„Ihr müsst wissen. Sie war gerade Vier Jahre alt. So alt wie ich, als ich mit ihm alleine war. Ich war gerade Zehn. Ihre große Schwester. Ich konnte sie ihm nicht einfach überlassen. Also schlich ich am letzten Abend vor meiner Abreise in die Küche und holte ein langes Tranchiermesser.“
Sie lässt ihre Finger wie Beine über die Schwertklinge spazieren.
„Damit ging ich ins Zimmer meiner Schwester… Sie schlief. Ich wollte, dass es schnell geht… ich muss irgend was falsch gemacht haben… jedenfalls wachte sie auf… ich hielt ihr den Mund zu… aber das Blut… sie hörte nicht auf zu schreien… ich musste fester drücken damit sie sich nicht los riss… und irgend wann hörte sie einfach auf.“
Jörn war kreidebleich geworden.
„Ihr seid doch…! Warum…! Ihr hättet euren Vater…!“
Sie schlug ihm mit der breiten Seite der Klinge gegen die Schläfe um ihn zum Schweigen zu bringen. Dann drehte sie die Schneide unter seinen Hals und drückte sie an seinen Kehlkopf.
Er versuchte sie von sich weg zu drücken, doch eine Seitwärtsbewegung des scharfen Metalls und es wäre vorbei gewesen. Also ergab er sich abermals.
„Glaubt nicht es wäre mir leicht gefallen! Glaubt nicht ich hätte es genossen! Glaubt nicht ich hätte nicht anders gehandelt wenn ich es gekonnt hätte!“
Zum ersten mal war eine echte Emotion in ihre Stimme gefahren. Und verhohlene Wut spuckte sie ihm ins Gesicht und er konnte erahnen, dass sie nicht ihm galt.
Doch so schnell sie aus der haut gefahren war, so schnell hatte sie sich wieder gesammelt.
Lehnte sich zurück als wäre nichts gewesen.
„Mein Vater war ein Bär. Selbst wenn ich den Mut aufgebracht hätte… ich hätte es wohl kaum überlebt. Hättet ihr ihn gekannt wüsstet ihr das.“
Jörn schluckte und setzte sich vorsichtig wieder gerade.
„Was ist, dann geschehen?“
Er hoffte mit dieser Frage zu einem anderen Thema zu gelangen.
„Ich holte den zweiten Diener aus dem Bett der mich im Morgengrauen begleiten sollte. Sagte ihm bloß mein Vater wollte mich aus dem Haus haben. Ob er mir geglaubt hat weis ich nicht, aber er gehorchte. Er war ein vernünftiger Mann… ich glaube ich mochte ihn im ganzen Haus am meisten.“
Ein kurzes Zucken des Mundwinkels.
„Er holte meine Koffer. Belud den Wagen und fuhr mit mir fort. Das Internat war besser. Kinder von Adligen sind Monster. Aber besser als mein Vater. Ich konnte mich unter ihnen behaupten.“
Sie sah aus dem Fenster.
„Lange wartete ich auf die Reaktion meines Vaters. Erst gar auf die Wache. Doch einen Skandal hätte meine Familie niemals zugelassen. Außerdem würde meine Mutter keine Kinder mehr bekommen. Ich war seine einzige Erbin. Dann wartete ich doch auf Repressalien. Kürzung meiner Schulansprüche. Oder zumindest auf Post die irgend etwas erklärte. Aber nichts. Ich hörte nie wieder von meiner Familie. Lediglich das Schulgeld kam regelmäßig. Und sogar mit beträchtlichen Spenden wie man mir sagte.“
Sie seufzte.
„Doch waren es nur Fünf Jahre. Und als ich die Schule abgeschlossen hatte, war es an der Zeit heim zu kehren. Dem Schicksal in die Augen zu sehen und mich auf ein Studium an der Universität vor zu bereiten.
Mit Sicherheit hätte ich heim kehren mögen. Meine Eltern grüßen als sei nichts gewesen. Mich auf meine Einführung in die Gesellschaft vorbereiten. Studieren. Heiraten. Nie an meiner Familie vorbei leben, wie es doch in den meisten üblich ist. Doch verzichtete ich darauf. Mein Leben und mein Name waren mir ohnehin nichts wert… Mich verband nichts mehr mit ihnen, außer ein Amulett und ein Ring vielleicht die ich mit mir führte... Nun um meinen Debütantinnenball tat es mir wohl leid…“
Sie winkte ab.
„Erst verschlug es mich in die Mark. Ein hübsche ebene Landzunge im Nordwesten Des Landes. In die Stadt Kielwasser am Meerbusen. Dort verdingte ich mich als Tagelöhnerin mit allem was funktionierte. Schiffe be- und entladen. Fische ausnehmen. Haare beim Barbier kehren. Fischgedärme schaufeln. Sogar als Prostituierte für eine Weile.“
Sie betrachtete Jörns Miene. Mittlerweile hatte er sich mit seinem Schicksal abgefunden und er lauschte einfach nur. Nun sogar ein wenig interessiert wie er sich selbst eingestand.
„Doch bleiben konnte ich nicht für immer. Mein Vater ließ bald nach mir suchen und früher oder Später hätte mich einer seiner zahlreichen Kontakte mit Sicherheit aufgespürt. Eines Abends im Bordell, war es beinahe so weit. Ein Leutnant. Der Sohn eines Geschäftspartners meines Vaters, den ich noch als jungen Fähnrich in unserem Anwesen kennen gelernt hatte, erkannte mich bei einem seiner Besuche. Also bin ich noch in der selben Nacht fort. Schlug mich durch die Hügel nach Süden in die Sümpfe wo mich dann auch schon eine Bande von Strauchdieben aufstöberte. Ich dummes Gör hatte natürlich noch immer den Ring und das Amulett unserer Familie bei mir. Zu meinem Pech kannten die Männer unser Familienwappen und wollten Profit aus ihrem Fund schlagen. Sie schleppten mich mit in ihr Lager im Schwarzforst und berieten Tage lang wie sie es wohl anstellen mochten einen vernünftigen ‚Finderlohn‘ für mich zu erpressen, ohne dabei selbst am Galgen zu hängen. Zu meinem Glück schaffte ich es, ihre Entscheidung immer wieder zu verzögern und mich einigermaßen nützlich zu machen. Und da Männer selbst alleine im Wald nur ungern kochen und waschen… und zudem auch sonst unter akutem Frauenmangel litten, durfte ich schlussendlich bleiben.“
Ihr blick wandte sich zur Kutschen-decke als sinniere sie über etwas romantisches.
„Beim putzen Blieb es natürlich nicht lange. Ich erinnere mich noch. Als sie mich zu meinem ersten Kutschenüberfall mitnahmen. Wir fällten einen Baum an einer Straßen kehre und Blockierten diese. Als das nächste Reisegespann einfuhr durchlöcherten wir ihn schlicht und ergreifend mit Musketen noch während der Kutscher zu wenden versuchte. Danach hab ich gekotzt wie an meinem ersten Tag Fische-stechen.“ Sie erwähnt die eine Tätigkeit ebenso beiläufig wie die andere.
„Ich sagte mir einfach: ‚Alles muss man erst einmal lernen.‘ und den Gedanken hatte ich auch als wir den Inhalt der Kutsche nach Wertgegenständen durchstöberten. Natürlich gab es etwas Geld und Schmuck. Aber all die Teuren Kleider und Hüte und andere Wertvolle Habseligkeiten von Lord und Lady Reisende, sowie die ebenfalls wertvollen Lord und Lady selbst waren schlichtweg ruiniert. Das war eine magere Ausbeute wenn man das Risiko bedenkt. Aber immerhin waren die Pferde noch da.“
Sie setzt ihren mit Sporen ausgestatteten Reitstiefel erneut auf die Bank. Doch dieses mal neben ihm, damit er das gepflegte schwarze Leder gebührend bewunder konnte.
„So heckte ich den Plan zu einer Treib-jagt aus. Mit einem meiner Kumpane ritten warteten wir an einem Waldweg ab und wenn eine Kutsche an uns vorbei fuhr nahmen wir die Verfolgung auf. Trieben sie vor uns her und ließen sie in unseren vorbereiteten Hinterhalt geraten. Zu Pferde konnten sie uns nicht entkommen und gaben zumeist einfach auf.
Als wir genug Pferde hatten und genügen Kumpane sicher genug im Sattel haben konnten wir immer gewagtere Manöver wagen. Auf diese Weise waren wir immer Erfolgreicher. Und die Lösegelder lohnten sich richtig. Wer bezahlte durfte gehen. Das war Ehrensache und garantiere uns auch, die Zahlung unserer nächsten Gäste. Zeitweise waren wir so erfolgreich, dass wir, wenn die Beute gar zu klein war, sie nur um das nötigste erleichterten und ziehen ließen. Es gab auch einen regen Zustrom an weiteren Glücklosen die sich uns anschließen wollten. Und im Schwarzforst waren wir für die kläglichen Kräfte der Landwacht unaufgreifbar. Doch wurde es wirklich einmal zu heiß. So wichen wir einfach ins Hochland aus. Oder gar bis zum Nordtorwald. Es waren ein paar recht erfolgreiche Jahre.“
Sie hielt inne.
„Aber ihr wisst sicher was dann kam.“ Er nickte unsicher.
„Der Fluch der Über das Land herein brach. Erst waren es nur Gerüchte von Kreaturen die durch Stadt und Land zogen, welche man in einsamen Wirtshäusern im Wald erzählte. Doch bald schon begegneten auch wir den Ersten dieser Kreaturen. In den finsteren Schatten des Waldes. Und nicht wenige meiner Gefährten ereilte ein blutiges Schicksal. Andere wurden gar selbst von Fluch befallen. Und dann ein weiterer Schrecken, als die Lordaeronner mit ihrer Flotte an der Küste Landeten und Erdbeben ganze Landstriche erschütterten waren wir bald schon so gut wie am Ende. Bereit uns selbst den Verlassenen in ein ungewisses Schicksal zu ergeben, nur damit die Hatz endlich ein Ende fand.“
Sie setzte sich gerade auf.
„Doch dann war es der Widerstand von Darius Crowley der uns zuerst Fand und wir erfuhren davon, das der Fluch der unser Land heim Suchte nun unser verbündeter werden sollte. So schlossen wir uns dem Widerstand an und marschierten mit dem letzten Aufgebot auf die Hauptstadt zu.“
Ein leichter Anflug von patriotischem stolz mag gar in ihrer Stimme mitschwingen ehe sie ihn mit einer Handbewegung fort wischt.
„Aber es war vergebens wie ihr wisst. Wir wurden aufgerieben und ins Meer geworfen. Wer noch laufen konnte mit Schiffen evakuiert. In Sturmwind von Bord geworfen in eine Stadt die uns nicht haben wollte. Mein Name war Wertlos. Mein Vater wohl tot. Ich hatte weder Geld noch Männer die ich dem König hätte anbieten können um meinen Familiären Ansprüchen Beachtung zu schenken. Arbeit gab es für mich auch keine zu finden… nun keine die mir nun noch zusagen wollte. Natürlich hätte mich die Armee mit Handkuss aufgenommen. Aber wozu? Nur um mich sofort wieder nach Westen ein zu Schiffen und im Brachland zu verheizen?“
Mit der Spitze ihrer Klinge stößt sie einen Glassplitter aus dem geborstenen Fenster der Kutsche.
„Nicht mit mir. Glücklicher Weise hatten es noch einige wenige meiner alten Spießgesellen, sowie ein paar Kameraden aus dem Widerstand ebenfalls nach Sturmwind geschafft und standen nun vor einem ähnlichen Dilemma.“
Eine weitere Scherbe klirrt aus dem Fensterrahmen.
„In den Wäldern und Bergen rund um die drei Ecken. Im Osten der Rotkammausläufer. So lies ich mir Sagen, sei eine gute Gegend. Das Reich war schon lange knapp an Wachmannschaften innerhalb der Landesgrenzen hieß es. Überall wurde für den Krieg gespart und die Ansässigen Ortschaften waren mit sich selbst beschäftigt. Und dort in den nördlichen Straßen des Dämmerwaldes, sollten wir unser neues Heim finden. Und ich sage euch, das Geschäft läuft richtig gut. Hab mir sogar ein kleines Cottage nördlich von Dämmerhain gekauft. Unter falschem Namen versteht sich. Dort in einer kleinen Kiste, habe ich den Ring und das Amulett meiner Familie vergraben. Zusammen mit einem kleinen Andenken und einem Notgroschen, falls ich jemals in die Heimat zurück kehren sollte.“
Die doppelt geschliffene Spitze der Klinge wandert an seinen Hals. Jörn schluckt einmal schwer.
„Und wie lerntet ihr diesen Karl kennen? Euren Mann?“
Etwas sagte ihm, dass er unbedingt Zeit gewinnen wollte.
„Ha.“ Machte sie nur Trocken.
„Ja der schöne Karl…“
Spricht sie nur mit leerer Stimme und steht mit gestreckter Klinge auf, was den Söldner dazu zwang es ebenfalls zu tun damit sich die Schwertspitze nicht unter sein Kinn bohrte.
Schwankend lehnte er sich an die Fahrgasttür um nicht das Gleichgewicht in der Polternden Kutsche zu verlieren.
„Warum erzählt ihr mir das alles?“
Begann er einen weiteren Versuch. Sie zuckt bloß die Schultern.
„Manchmal tut es einfach gut über Dinge zu reden findet ihr nicht?“
„Mag sein.“
Er schluckte erneut. Wahnsinnigen soll man nicht widersprechen.
„Ich bin hier fertig. Was ist mit euch? Was habt ihr so zu erzählen?“
Fragte sie ihn mit der Stimme von jemandem, der wusste was er hören wollte.
„Euch habe ich nichts zu erzählen. Oder wollt Klatsch über die Affären von Lady Hanzels Affären hören?“
Sie schlägt ihm aufmunternd mit der Breitseite ihrer Klinge gegen die Wange.
„Erzählt mir von eurem Sohn Elias.“
Bohrte sie weiter und dem Leibwächter dämmerte es.
„...ihr kennt also…“
Sie nickt.
„Ganz recht.“
„Dann war er es also vorhin der…“
Erneut das Nicken.
„Eben derselbe. Hat mir erzählt ihr hättet ihn rausgeworfen.“
Die Zornesröte stieg in das Gesicht des Mannes.
„Hort mir einmal genau zu! Dieser Nichtsnutz…!“
Setzte er an, doch ließ sie ihn nicht zu Wort kommen.
„AUCH von seiner Schwester hat er mir erzählt!“
Bellte sie ihm nun ins Gesicht. Dem Söldner blieben die Worte in der Kehle stecken.
„Er konnte niemals… ihr müsst verstehen… es ist nicht so.“
Er sah kaum wie sich ihr Arm bewegte ehe er spürte wie die Spitze der breiten Klinge eine Schwachstelle in seiner Rüstung fand und in den Leib fuhr.
„Es interessiert mich nicht.“
Hörte er die letzten ruhigen Worte aus ihrem Mund als sie das Schwert drehte und ihm die Eingeweide zerfetzte.
Dann der Tritt eines hölzernen Absatzes der ihn von der Klinge stieß.
Die Tür hinter ihm, riss mitsamt Angeln aus dem Rahmen und er stürzte bei voller Fahrt in den Straßengraben.
Die Hufe von Pferden waren das letzte was er sah.
Das Klappern der Räder, die sich langsam in der Ferne verloren, das letzte was er hörte.