Dem Sturm entgegen! |
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| Kodex Dämmersturm (noch nicht öffentlich) [seit 2017] | |
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Orodaro
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| Thema: Kodex Dämmersturm (noch nicht öffentlich) [seit 2017] Fr Jul 24, 2020 11:39 am | |
| Kodex Dämmersturm
Tim Orodaro Kommandant des Dämmersturms
Der Dämmersturm ist in der Vergangenheit den Prinzipien meines Gutdünkens gefolgt, wann immer mein weisendes Wort seine Reihen erreicht hat. Langfristig liefen diese Prinzipien einem höheren Ziel entgegen, das nach einer Reihe von Meditationen den Kurs unserer Organisation bestimmt hat. Die Statuten bieten uns ein praktisches Leitwerk, die in den Meditationen gefassten Erkenntnisse, zum Wohle unserer Sache auf unser tägliches Handeln anzuwenden. Doch um die Endlichkeit des kriegerischen Schaffens wissend, sehe ich mich dazu verpflichtet, sie den nachfolgenden Generationen, wie auch jedem gegenwärtigen Streiter unserer Sache, als erleuchtendes - möglicherweise sogar ermutigendes - Traktat nahezulegen. Dieses Werk entstand in den Tagen des Büßerfeldzuges, auf der langen Reise nach und durch Silithus, zur Zeit des großen Dämoneneinfalls der brennenden Legion. Ich bin Tim Orodaro, Erster Kommandant des Dämmersturms, sein Gründer und Wegbereiter; Schlächter meiner Feinde und der Hammer auf dem Amboss des Krieges: Meine Worte sind der Kodex Dämmersturm. |
| | | Orodaro
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| Thema: Re: Kodex Dämmersturm (noch nicht öffentlich) [seit 2017] Fr Jul 24, 2020 11:40 am | |
| 1. Meditation: Über Söldner und Bünde
Der Dämmersturm ist ein Söldnerbund. Dieses Wort besteht aus den Elementen Söldner und Bund. Ein Söldner ist im gewöhnlichen Sprachgebrauch jemand, der für finanzielle Entlohnung physische Gewalt ausübt. Mit physischer Gewalt ist auch potenzielle Gewalt gemeint; also solche, die durch ihre bloße Androhung stellvertretend die Rolle tatsächlich ausgeführter Gewalt einnehmen kann. Dabei denke ich an Wachdienst, Schutzleistungen, Erpressung oder rein repräsentative, bewaffnete Eskorten. Der Begriff 'physische Gewalt' soll nicht als Abgrenzung zu 'psychischer Gewalt', sondern zu politischen Gewalten dienen. Der Söldner ist nämlich natürlicherweise unpolitisch, wobei sein Tun fraglos einem politischen Zweck dienen kann. Wäre er politisch, wäre er ein Soldat. Ein Soldat stellt seine physische Gewaltausübung in den Dienst seiner Nation; er ist also markiert und kommt ausschließlich auf diese Weise – eben die politische – zum Einsatz. (Man kommt hier nicht umhin, einzugestehen, dass es auch unter den Soldaten Individuen gibt, die eigentlich Söldner sind, aber es wäre müßig, dies an dieser Stelle zu vertiefen.)
Damit ist die Berufsbezeichnung des Söldners in kurzen Zügen abgedeckt. Diese Schrift wird tiefer greifen. Ein Söldner ist vornehmlich ein Egoist. Seine abstrahierte Hauptmotivation ist nicht das Geld, sondern der Nutzen. Er ist ein Egoist, weil er nicht den Nutzen für andere (zum Beispiel seine Nation), sondern vornehmlich für sich selbst sucht. Dieser Nutzen kann unter anderem bloße Selbsterhaltung, finanzieller Vorteil, die Befriedigung von Wanderlust oder die Verfolgung irgendeines auferlegten Ideals sein. Der Söldner ist insofern ein besonderer Egoist, weil er für das Erlangen seines persönlichen Nutzens nicht davor zurückschreckt, an Gewalt teilzuhaben. Diese Teilhabe an Gewalt dient dabei selten als Selbstzweck, sondern dazu, einen anderen Nutzen zu erlangen. Es ist nicht auszuschließen, dass jemand aus Blutlust zum Söldner wird. Doch um diese Blutlust auszuleben, ist das Söldnertum ein nützlicher Lebenswandel, da er Versorgung und finanzielle Sicherheit verspricht.
Man könnte vor dieser Beschreibung auch behaupten, jedes sterbliche Individuum sei auf irgendeine Weise ein Egoist. Diese Diskussion würde hier aber zu nichts führen. Wer sich diesem Gedankengang verpflichtet fühlt, darf die Textstellen, in denen von Egoisten die Rede ist, auch durch „sterbliche Wesen“ ersetzen.
Nun ist der Söldner also ein Egoist, der vor vergüteter Gewalt nicht zurückschreckt. Wem diese Gewalt gilt, spielt keine Rolle, solange es dem Egoismus des Söldners dienlich ist. Der Söldner ist also selbst dem Söldner ein Wolf! Und kurzum will das heißen, dass er – der unpolitisch und dadurch heimatlos ist – sich der ständigen Gefahr aussetzt, mit seinem Söldnertum rechtslos in die Fänge einer fremden Ordnung oder einem anderen Söldner zum Opfer zu fallen. Der Ausweg aus dieser Misere ist der Kontrakt.
Womit ich zum zweiten Teil des Wortes überleiten kann. Der Bund bezeichnet irgendeine Form von Vereinigung. Ein Bund beruft sich in jedem Fall auf einen Kontrakt; wobei irrelevant ist, ob dieser tatsächlich ausformuliert und physisch greifbar ist oder nicht. Ein Teil des dämmersturmschen Kontraktes bilden die ausformulierten Statuten. Ferner besteht ein Bund aus mehreren Individuen, die sich verpflichtet haben, ihre individuellen Interessen einer gemeinsamen Sache aufzuopfern, die in der Regel auf irgendeine Weise den Angehörigen des Bundes dienlich ist. Die Familie ist ein Beispiel – und vermutlich das älteste – für die Struktur eines Bundes; in der durch gemeinsamen Beistand der Erhalt des Bundes (eben der Familie) gewährleistet wird, was gleichermaßen den Erhalt des Einzelnen zur Konsequenz hat.
Jedem Kontrakt wohnt eine Beschneidung der individuellen Freiheit bei; im Gegenzug dafür erhält das Individuum mindestens Sicherheit vor all jenen, die auch Teil des Kontraktes sind. Dies ist das Wesen aller echten Bünde dieser Welt.
Eine besondere Veredelung erfährt jeder Kontrakt, wenn er nicht nur die Sicherheit des Individuums vor anderen Individuen gewährleistet, die dem Kontrakt angehören, sondern obendrein in anderen erdenklichen Weisen die Interessen des Individuums unterstützt. In erster Linie durch Solidarität, die sich in gegenseitigem Beistand, in Verpflegung oder schlichtweg einem Dach über dem Kopf manifestieren kann. Solidarität ist der Verbundstoff eines Bundes. Wenn der Kontrakt mit einer Reihe von Ziegelsteinen beschrieben wird, dann ist die Solidarität ihr Zement. Man will sie, abstrahiert, in etwa so beschreiben: Solidarität sei all das genannt, was das Individuum an Taten leistet, die ihm selbst nicht (oder nur zweitrangig) dienlich sind, anderen, die Teil des Bundes (oder Kontraktes) sind dagegen schon. Durch die Stärkung oder Verbesserung anderer Individuen, die Glieder des Bundes sind, wird der Bund an sich gestärkt. Insofern unterscheidet sich Solidarität also von bloßem Altruismus, der sich auch an Wesen richten kann, die außerhalb des Bundes existieren.
Warum stärkt Solidarität dadurch, dass sie den Einzelnen stärkt, gleichermaßen den ganzen Bund? Ich will dazu sagen, dass der Untergang des Einzelnen dem Bund schadet, denn wenn alle Einzelnen untergehen, gibt es keinen Bund mehr. Zwar hat er, Zeit seiner Existenz, die Sicherheit des Egoisten vor den anderen Egoisten gewährleistet, doch damit nur einem einzigen, vergänglichen Zweck gedient. Er hat sein Potenzial nicht ausgeschöpft, das darin besteht, die Konditionen aller Beteiligten zu verbessern. Darüber hinaus ist der Wert eines Bundes auch an seiner nutzbringenden Beständigkeit vor der Ewigkeit zu beurteilen: Ein Bund, der sich seines tausendjährigen Bestehens rühmen kann und als solcher nicht an Zeitmäßigkeit verloren hat, ist von größerem Wert als ein brüchiger Waffenstillstand. Der ewige Bund spendet zahllosen Generationen seinen Nutzen und all seine Vorzüge – der Waffenstillstand überdauert kaum die nächste Erschütterung. Und es gilt: Dinge und Leistungen, die der ewigen Beständigkeit zuträglich sind, verhelfen auch in ihrer jeweils gegenwärtigen Situation zu einer Verbesserung. Verflucht seien jene, die sich in widerstandsloser Genügsamkeit dem Stillstand überantworten – denn aus ihnen heraus kann nur Verfall über den Kontrakt siechen.
Folglich ist der Söldnerbund ein kontraktualistisches Gebilde aus physisch gewaltausübenden Egoisten. Hauptbestandteil seines Kontraktes ist es, sich nicht gegenseitig zu schaden, damit aus dem unablässigen Kriegszustand, der unter Söldnern herrscht, zunächst einmal ein Waffenstillstand wird. Die Konsequenz daraus ist, dass der Einzelne in Gegenwart anderer Söldner des Bundes nicht um sein Leben fürchten muss und weiter seinen Interessen folgen kann, solange er die Regeln des Kontraktes befolgt. Über einen bloßen Waffenstillstand hinaus, ist die Qualität des Söldnerbundes daran zu bewerten, inwiefern sie dem Einzelnen anbei dieser Sicherheit dienlich ist. Ein Söldnerbund ist edel, wenn er außerdem Solidarität bietet. Von erster Güte ist ein Bund, wenn er sich – zusätzlich zu diesen Dingen - strebsam vor der Ewigkeit bewährt. |
| | | Orodaro
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| Thema: Re: Kodex Dämmersturm (noch nicht öffentlich) [seit 2017] Fr Jul 24, 2020 11:41 am | |
| 2. Meditation: Der Kommandant
Der Kontrakt eines Bundes von erster Güte muss seine Gewalt in einer effizienten Wesenheit bündeln. Dies ist der Kommandant. Der Kommandant muss nicht aus einer einzigen Entität bestehen; jedoch muss er schnell und einig über einen Sachverhalt urteilen und die ihm zugesprochenen Gewalten mobilisieren können.
Jeder Söldner, der sich dem Kontrakt gegenüber verpflichtet, sei es nun vorübergehend oder - wie es der Ewigkeit zuträglich ist - auf Lebenszeit, spendet dem Bund seine persönliche Freiheit und darf nur noch solche erfahren, die der Kommandant ihm gestattet. Ein Kommandant, der sich den Idealen eines Bundes von erster Güte verpflichtet fühlt, beansprucht nur solche Freiheiten, die dem Bund dienlich sind. Er ist hierbei jedoch nicht dem Nutzen des Einzelnen verpflichtet, der aus Sicht des Kommandanten kein Einzelner ist, sondern lediglich ein Element jener Gewaltensumme, die seinem Verfügen unterliegt und zu der er selbst gehört. So wie der Verstand den menschlichen Leib nicht in seine beisammenstrebenden Einzelorganismen untergliedert und ihnen zuträglich handelt, sondern ihr gemeinsames Werk als Ganzes fördert.
Die nunmehr gebündelte Macht des Bundes im Kommandanten gewährleistet den Erhalt des Bundes und damit auch den Erhalt des Einzelnen. Wer sich dem Kommandanten gegenüber verweigert, verweigert sich dem Erhalt des Bundes - und folglich auch seinem eigenen Erhalt.
Fordert der Kommandant die Opferung des Einzelnen, zugunsten des Bundes, folgt er weiterhin diesem Prinzip; allerdings in negativer Form. Er minimiert auf diese Weise einen Schaden, der dem Bund situativ abverlangt wird. So er durch das Opfern Einzelner den Erhalt des Bundes und den Erhalt vieler anderer Einzelner gewährleisten kann - insbesondere in einer Bedrohungssituation beider - ist dies ein legitimes Vorgehen. Dessen Gegensatz, den Tod vieler hinzunehmen, wenn nur wenige hätten geopfert werden müssen, ist wiederum unverantwortlich.
Respekt vor dem Kommandanten (und all seinen Vertretern) ist vor diesen Ausführungen der Respekt vor dem Bund selbst. Wird dieser Respekt nicht erbracht oder verletzt, wird der Bund selbst missachtet und verletzt. Wer den Kommandanten (oder seine Vertreter) verschmäht, verschmäht die Gewalt des Bundes, die in ihm zusammenkommt.
Folglich ist der Kommandant die Summe aller zusammengeführten Freiheiten und Gewalten des Bundes, die er in seinem (dem des Bundes) Sinne formieren, ordnen und koordinieren kann und muss. |
| | | Orodaro
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| Thema: Re: Kodex Dämmersturm (noch nicht öffentlich) [seit 2017] Fr Jul 24, 2020 11:41 am | |
| 3. Meditation: Über die Ethik
Lasst mich eines klar stellen. Diese Schrift ist nur bedingt eine ethische Schrift. Unter einer ethischen Schrift verstehe ich eine solche, die den Weg zum guten Leben reflektiert - ganz gleich, zu welcher Konklusion der jeweilige Gelehrte kommen mag.
Ein gutes Leben mag nämlich nicht bloß ein solches sein, das dem, der es anstrebt, Glückseligkeit verspricht - sondern auch ein solches, das der Welt im Allgemeinen zu größerem Glück und zu weniger Leid verhilft. Nun ist das Söldnertum freilich kein Phänomen, das der Welt natürlicherweise Leid nimmt. Gleichfalls kann es aber ein Phänomen sein, dass denen, die seiner Ausübung Teil sind, zu größerem Glück verhilft. Es sei gesagt, dass viele Wesen existieren, die gerade im Söldnertum ihr Summum Bonum gefunden haben und in keiner anderen Lebensführung Glückseligkeit hätten erlangen können. Und so zeigt sich das ganze egoistische Wesen des Söldners um ein Weiteres. Doch ich will verheißen, dass diese Schrift zumindest im Rahmen des Bundes, über das Individuum hinaus, Wege zur Glückseligkeit respektive zu einem guten Leben weist.
(Ich will mich hier nicht an den Unterschieden von gutem Leben und Glückseligkeit aufhängen - Glückseligkeit überhaupt ist ein unsägliches, unmenschliches Gift, wenn man sich das mal auf der Zunge zergehen ließe. Doch das tue ich hier nicht. Ich verwende Glückseligkeit und ein gutes Leben wie ein und dieselbe Begrifflichkeit.)
Jedenfalls ist die Ethik nicht das Handwerk des Söldners, wenngleich manch ein Element dieses Handwerks nötig ist, um einen beständigen und bestehenswerten Bund zu bilden. Damit will ich sagen, dass die Welt noch sonst so grausig sein kann - im Bund muss dem Söldner ein gutes Leben versprochen sein und so das Leid an der Welt das Glück des Bundes fördert, ist es kein Leid, das der Bund zu verurteilen hätte. Das Heil des Bundes dient dem Söldner, nicht aber der Welt!
Doch wie wäre die Welt beschaffen, wäre alles Bund und nichts die Welt? |
| | | Orodaro
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| Thema: Re: Kodex Dämmersturm (noch nicht öffentlich) [seit 2017] Fr Jul 24, 2020 11:41 am | |
| 4. Meditation: Über das Licht
Es mag eigentümlich erscheinen, in einer Schrift dieser Art - einen Söldnerbund betreffend - so früh vom Licht zu sprechen. Häufig finden sich derlei Kapitel erst am Ende eines philosophischen Werkes. Manchmal fehlen sie auch gänzlich. Doch es erscheint mir angemessen, da sich hieraus viele Dinge ableiten lassen. Außerdem sind Missverständnisse, das Licht betreffend, ein gängiges Motiv in den religiösen und gesellschaftlichen Diskursen aller mir bekannten, zivilisationsschaffenden Völker.
Betrachten wir die verschiedenen Methoden und Grundsätze, in denen das Licht Verehrung findet, mag sich der Eindruck nihilistischer Beliebigkeit auftun. Wir kennen die Priester der Kirche des Lichts, kennen die Kriegskleriker von Nordhain und aus ihnen hervorgehend die Paladine der Silbernen Hand; worunter wir wiederum in schier endlosen Gabelungen die Krieger des Scharlachroten Kreuzzuges, die Bruderschaft des Lichts, die Besonderheiten vieler der Söhne Lothars, mannigfaltige Splittergruppierungen und auch den Argentumkreuzzug nebst seines Vorgängers fassen können. Letzterer mag all diese Strömungen wieder unter einen Hut bringen und das universell Positive des Lichts am besten zum Ausdruck bringen. Es gibt die firmamentalen Kulte der doreischen Rassen und Tauren, die Naaru-Verehrung der Draenei, Ahnen- und Loaverehrung der Trolle, den Titanenkult und dazugehörig auch die Sagas der Vrykul und ihr Streben nach den Hallen der Tapferkeit. Pandarische Priester, ihre Philosophen und selbst die Kezaner scheinen eigene Formen der Lichtverehrung zu hegen. Man mag diese Liste noch fortführen, aber es sollte bereits zur Genüge ausgedrückt sein, dass das Licht viele verschiedene Facetten kennt.
Nun mag man sich fragen, woran das liegt und wie es denn mit den eigenen Glaubenssätzen zusammenpasst, dass der thalassische Blutritter sich derselben Macht bedient, die auch ein rechtschaffender Paladin, ein Fanatiker des Scharlachroten Kreuzzuges oder ein fremdweltlicher Draenei verwendet, um sein Volk zu lehren und im Kampf gegen seine Feinde zu richten. Ich hörte sogar von den Arrakoa Draenors, die sich massenmordend auf das Licht beriefen, als sie die Schwächsten ihrer eigenen Art tausendfach auszuradieren versuchten. Um die Dinge wieder zusammenzuführen, bedarf es eines Schrittes, der vielen Lesern nicht leicht fallen wird. Ich möchte ihn dennoch zutrauen oder aber (in Form zukünftiger Studien) aufbürden. Diesen Schritt nenne ich das Argument ad abstraktum. Er ist aber gewiss keine Besonderheit, da jede wahrheitssuchende Wissenschaft sich seiner bedient, wenn sie versucht ein allgemeingültiges Gesetz aufzuspüren. Verwende ich das Argument ad abstraktum, lese ich die zu untersuchenden Gegenstände, die mir durch Beobachtung und Forschung gegeben sind und sondiere sie auf eine Eigenschaft, die all diesen Gegenständen gemeinsam ist. Daraus leite ich ein Abstraktum ab, das all diese Gegenstände unter sich vereint.
Banal, möchte man meinen. Doch es ist ein gängiges Treiben spitzfindiger, zerstreuter Seelen eine Sache ob ihrer vielen verschiedenen Ausprägungen zu definieren, anstatt sich um die Erforschung der Gemeinsamkeiten zu bemühen. So will es etwa heißen: "Das Licht mag Mitgefühl preisen; doch ist es schlecht, weil es auch den Scharlachroten Kreuzzug und sein fanatisches Morden bedient." Würden wir diesem Ansatz folgen, finden wir jedoch nicht zur Wahrheit, sondern nur zu einer verklärten Oberfläche, die mal so und mal so beschaffen ist; uns aber im Unklaren darüber lässt, was sich darunter verbirgt.
Studieren wir die Lehren der Silberhand, ergeben sich uns eine Vielzahl wohldiskutierter Glaubenssätze. Wir bemerken hier vor allem den Aspekt der Ordnung, der sich in Begrifflichkeiten wie Rechtschaffenheit zeigt; drum also Recht schaffend ist, entgegen einer ungeordneten, rechtlosen Situation - vergleichbar mit dem Naturzustand des Söldnervolkes, das einander lebhaft an die Kehle geht, so es keinen Kontrakt eingeht, der es vor sich schützt. Ferner offenbart sich (und das in vielen Lehren des Lichts) die Hochhaltung von Mitleid respektive Mitgefühl; besonders gegenüber jenen, die schwächer, krank oder verwundet sind. Das Mitleid verhält sich hier als ein Indikator metaphysischer Einheitserwägung, indem es sagt "Hilf diesem, der dein Mitleid erregt, sodass auch du dich daran besser fühlst" und letztlich "alle Teilung ist Farce, das Licht ist - und im Licht sind wir eins". So helfe ich, gebe ich meinem Mitleid nach, nicht nur dem, der mein Mitleid erregt, sondern allen, jedem und ganz gewiss auch mir selbst. Die Singularität des Seins, die das Mitleid suggeriert, führt den Ordnungsgedanken seinem erdenkbaren Maximum zu. Was ich, den Kontrakt und den Bund betreffend, Solidarität nannte, will nicht zuletzt als eine Wesenheit des Mitleids respektive des Mitgefühls verstanden sein, denn die Dinge unterscheiden sich nicht nennenswert. An dritter Stelle ist es dem Paladin ein Anliegen, den Schutz dieser Einheit und Ordnung zu gewährleisten. Rechtschaffenheit, Mitleid und Schutz sind demnach die Entitäten, aus denen ein Paladin der Silberhand seine Macht bezieht und außerdem die Glaubenssätze, denen jeder echte Bund zu folgen gedenkt, so er sich Bestand erhofft.
Also wäre wohl jeder Bund, jede Nation, jedes Gemeinwesen ein lichtgebärdendes Mirakel. Ich werde dies nicht bestreiten.
Man will nun einwenden: Doch der Söldner verkennt die Singularität des Seins!
Vielleicht.
Doch gebärdet sich der Paladin denn besser? Erwuchs er nicht aus Nordhains Klerus, um den hordischen Orcs entgegenzustreben? Was ist ein Orc, wenn nicht Teil jener Singularität, die der Paladin als das Sein erwägt?
Man hat sich diesbezüglich nicht gescheut, zu behaupten, der Orc wäre das Chaos, das ausgetrieben gehört. Ich erkenne die weisen Herren an, die solch Dinge, ihrer Zeit verschrieben, von sich gaben. Doch es gehört dazu ein eingeschränktes Sichtfeld, um es ohne Einspruch stehen zu lassen. Ich sage bewusst Einspruch und nicht Widerspruch; aber das will ich später aufgreifen. Der Orc mag dem Volk von Sturmwind, als er dereinst und vergiftet mit Dämonenblut aus dem Dunklen Portal in diese Welt sich warf, eine üble Plage gewesen sein; ein marodierender Weltuntergang von zügelloser Zerstörung. Von Blutlust und Massaker. Doch heute wissen wir, dass die Orcs keine geistlosen Kreaturen sind; dass sie untereinander sehr wohl Ordnung wahren, dass sie ihre Freiheit lieben und den Krieg nicht des Mordens wegen hochhalten; sondern da er ihnen Kraft und Lebenswillen gibt, da er sie wiederum unter ihren Häuptlingen (denn es ist ein Kriegshäuptling und kein Friedenshäuptling) vereint, die Kinder das Jagen lehrt und und sie, gemessen an den unerbittlichen Bedingungen ihrer Heimat, auf ein hartes Leben vorbereitet. Im Sinne des Orcs ist der Krieg keine Zersetzung; er ist ein ordnendes Wesen, schafft Bruderschaft und Stammestreue; schafft Recht durch die Bedingungen, die nach einem gesetzgebenden Häuptling verlangen und ruft alle Krieger zum Schutz ihrer Sippe auf. Als Grom Höllschrei sich für sein Volk opferte, sprach Mitgefühl aus ihm, sprach Rechtschaffenheit und Schutz - und überhaupt war der ganze Schlag, dem Mannoroth zum Tode, ein kolossaler Akt des Lichts.
Es ist eine historische Beliebigkeit, dass die orcische Rasse nicht voll von Priestern des Lichts ist, denn nähme sie sich ein Beispiel an den Vrykul, wofür sie sich kaum zu ändern hätte, stünde sie dem Licht nicht ferner als das Menschenvolk von Sturmwind. Im Übrigen liegt es einzig an den Draenei, die das Licht (wenn auch mit Recht, Mitgefühl und zum Schutze ihrer eigenen Art) gegen die Orcs verwendeten, dass es nie eine Chance hatte, explizit Verehrung im Stammesleben der Orcs zu finden.
Nun will ich darauf hinaus, dass der Paladin der Silberhand, als er die Orcs verdammte, nicht etwa die Singularität des Seins in ihrer Vollkommenheit vertrat, sondern nur ihren Abglanz in Form der Nation von Sturmwind und später dann der Allianz. Er hätte ebenso gut ein Orc sein können, der durch den Schutz seines Stammes und den bestärkenden Kriegszustand einen Abglanz des Lichts respektive einen Verweis auf die Singularität des Seins erfährt. Und ebenso hätte er ein Söldner sein können, der für seinen Bund eintritt und dessen Sache mit Ehre und Hingabe erfüllt.
Das Licht urteilt nicht. Das Licht ist das Urteil.
Man könnte an dieser Stelle noch weitere Parallelen zu anderen Völkern oder Glaubenssätzen ziehen. Auch die verschiedenen Kirchen der Menschen zeigen viele sehr interessante Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Doch indem ich die Silberhand, die Draenei und die Orcs nun in Einklang gebracht habe, möchte ich mit etwas fortfahren, dass zunächst einem anderen Gedankengang zu entspringen scheint, uns schließlich jedoch näher an ein tieferes Verständnis des Lichts heranführt, da es alle anderen Punkte nur bestätigen wird.
Über das Volk der Arrakoa und seinen selbstmörderischen Säuberungsprozess vermag ich nur wenig zu sagen, da ich kaum etwas darüber weiß. Doch wie man mir eine lordaeronsche Herkunft nachsagt, bin ich mit der Geschichte des Scharlachroten Kreuzzugs vertraut. Es mögen Gesetze der jeweiligen Volksgruppen und Ideologien wirken, die es ihren Priestern erlauben, zugunsten ihrer Überzeugungen respektive der gemeinsamen Einheitsidentität das Licht zu wirken - ob sie damit nun schützen oder richten. Damit soll gesagt sein, dass eine Rechtsprechung dem Bestand der jeweiligen Gruppierung dient und der Bestand der jeweiligen Gruppierung ein Abglanz der Singularität allen Seins ist. Dabei spielt es nur bedingt eine Rolle, inwieweit die Rechtsprechung von Würde und Vernunft geregelt ist, denn Würde und Vernunft sichern nicht zwingend den Bestand des Seins. Dem fügt sich allerdings eine bemerkenswerte Beobachtung an. Berichten desillusionierter Scharlachroter zufolge, waren sich die Inquisitoren und Folterknechte im Zuge ihres Lichtwirkens durchaus der Tatsache bewusst, bisweilen über die Stränge zu schlagen: Insbesondere, wenn sie ihre Macht gegen andere Menschen richteten. Viele der gewählten Methoden verstießen selbst innerhalb des Kreuzzugs gegen geltendes Recht, wurden jedoch gemeinhin geduldet, um einem höheren Ziel und dem Bestand der Organisation gerecht zu werden. Rechtschaffendes Walten, also Walten im Sinne eines Gesetzes, ist eine Ausdrucksform des Lichts: Die Gründe habe ich bereits angeführt. Doch das Licht beschränkt sich nicht auf die Grenzen der Rechtsprechung, als nur soweit, wie die Rechtsprechung dem Erhalt der Gemeinschaft oder Ideologie dient. Es ist daher eine Wahrheit, dass das Licht Rechte schaffen und erhalten kann, indem es rechtschaffend ist, andererseits aber über das Recht hinaustritt, wenn es durch die Absicht kanalisiert wird, dass eine derartige Grenzüberschreitung dem Erhalt der jeweiligen Seinsform dient. Das rechtschaffende Licht ist nichts als eine Ausdrucksform. Die Wirklichkeit lehrt uns: Das Licht ist nicht bloß recht schaffend, sondern schaffend im allgemeinen Sinne, es ist die Schöpfung in jeder erdenklichen Form, so man sie ad abstraktum formulieren will.
Das Licht folgt in jeder erdenklichen Ausartung dem allgemeinen Anlass, die Schöpfung zu erregen, sei sie durch Stärke, durch Kreativität, durch Mittel des Fortbestands oder der notwendigen Selbsterhaltung wegen. Das Licht ist nicht an eine Wahrheit gebunden, wie seine vielen verschiedenen Anbetungsformen, die einander widersprechen, aufzeigen. Vielmehr bestätigt das Licht den Prozess der Wahrheitsgenerierung, wenn neue Ideen entwickelt, politische Überzeugungen verfolgt oder glückseligkeitsvermittelnde Lebensarten entdeckt und zelebriert werden. Es wirkt dabei nicht beliebig, doch überall dort, wo die Beliebigkeit in etwas Konkretes umgesetzt wird. Das Licht erregt sich frohlockend am Mythos, nicht dergestalt, dass es unwahr ist, sondern in solchem Sinne, als das es den Bestand von Ideen, Geschichten und Überzeugungen festhält. Feiertage erfreuen sich deshalb so großer Geläufigkeit in den religiösen und identitätsstiftenden Kalendern unserer Welt - in beinahe allen Völkern - da sie den beliebigen Tagen des Jahres Bedeutung schenken, sie mit einer Geschichte bedenken und als gesellschaftstragendes Moment die schöpferischen Möglichkeiten der Existenz ausreizen. Es ist daher wichtig, Traditionen zu erhalten sowie Riten und Zeremonien zu zelebrieren: Sie befreien Bewegungen, Substanzen, Worte und Gedanken von leerer Beliebigkeit und betten sie in einen sinnhaften Zusammenhang. Dieser schöpferische und erhaltende Akt ist ein Werk am Licht, das ferner mit dem Gefühl belohnt wird, eine bedeutungsvolle Tat begangen zu haben. Der Konservative, der einen Mythos aufrechterhält, folgt dabei ebenso dem Licht, wie der Revolutionär, der die vermeintliche Sinnlosigkeit eines morschen Systems aufrüttelt.
Wir müssen aber bemerken, dass der Revolutionär ein Zerstörer ist. Zerstörung kann ein Akt des Lichts sein, doch wenn sich - nun beispielhaft gesprochen - Staaten in Revolutionen wälzen, verliert sich die vermeintliche Neuschöpfung in der Zerstörung des Alten um der Zerstörung willen. Obgleich wir in dieser Apokalypse das Licht im Kraftstreben Einzelner zu erkennen glauben, ist die reine und folgenlose Zerstörung ein Akt der Leere und des Vergessens. Die Leere ist der Feind. Ich werde an anderer Stelle auf sie zu sprechen kommen.
Die Asche ist eine heilige Substanz, denn sie beherbergt die Essenz des Seins, komprimiert durch den Akt der Vernichtung. Sie steht für die Zerstörung als Akt des Lichts, wie auch das Feuer, das sie erzeugt, das Alte und Morsche vernichtet, zugleich aber Wärme spenden kann und dem Erwachsen neuer Dinge beisteht. Dieser Wahrheit wegen ist der Wappenrock des Dämmersturms schwarz, für die Asche stehend, die er erzeugt und aus der heraus Neues entstehen kann. Wir erinnern uns, dass auch die Heroen von Eiskrone unter dem Banner des Äschernen Verdikts in die Schlacht zogen und der heilige Aschenbringer seine Feinde in eben diese Substanz überführt. Der Asche steht der Wüstensand gegenüber, der für sich genommen nicht das Potenzial birgt, zur Schöpfung beizutragen. Wir erkennen die zunehmende Verwüstung Westfalls als einen Akt nicht enden wollender Revolution. Das Licht ist diesen Landen lange fern geblieben.
Ich bemerke zuletzt, dass die Logiker dieser Welt sich stets daran abmühten, das Licht zu begreifen und zu systematisieren. Dabei verstehen sie jedoch nicht - besonders die Gnomereganer nicht, die daher auch des Lichtwirkens unfähig sind - dass das Licht nicht etwa mit der Logik zu beschreiben ist, sondern das Licht selbst die Logik durchdringt und sich in jedem Pluszeichen bemerkbar macht. Wenn die Beschreibungsparameter selbst ein Abglanz dessen sind, was zu beschreiben ist, begibt sich der Logiker in einen Zirkelschluss, verneint seine Erkenntnis aber damit, dass Zirkelschlüsse unzulässig sind, obgleich das Vorhandensein des Zirkels, der da geschlossen wird, durchaus bereits etwas bedeutet. Das Licht verhält sich unlogisch, doch das Schließen der Logik auf Gesetzmäßigkeiten, ist ein Akt des Lichts.
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